Ein Industriedenkmal für Krefeld

Das Kesselhaus und seine Bedeutung für die Stadt Krefeld

Die Geschichte der einstigen Textilhochburg Krefeld, der „Stadt wie Samt und Seide“, ist untrennbar mit der VerSeidAG verbunden. Und damit auch mit dem prägnanten Kesselhaus am Standort Girmesgath 5 im heutigen Mies van der Rohe Campus

Am Anfang war die Seide

Die Seidenstoffproduktion war insbesondere im 19. Jahrhundert der wichtigste Wirtschaftsfaktor Krefelds. So gehörte Krefeld bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lange Zeit zu den wohlhabendsten Städten in Deutschland. Davon zeugen heute noch die in vielen Teilen der Stadt erhalten gebliebenen prächtigen Gründerzeit- und Jugendstilfassaden.

Die wirtschaftliche Notlage nach dem Ersten Weltkrieg veranlasste im Jahre 1919 mehrere Textilbetriebe in Krefeld und am Niederrhein, sich zur „Vereinigten Seidenweberei Aktien Gesellschaft“, kurz VerSeidAG, zusammenzuschließen. Hermann Lange und Josef Esters, beide Besitzer einer zuvor familiär geführten Weberei, wurden Geschäftsführer der Aktiengesellschaft. Zwischen 1931 und 1938 erbaute der Architekt und Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe den heute denkmalgeschützten Firmensitz am Girmesgath 5.

Mies und die VerSeidAG

Mies van der Rohe gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne. Das Gebäudeensemble, das nunmehr unter seiner Leitung ab 1931 am Girmesgath 5 für die VerSeidAG errichtet wurde, zählte mehrere Gebäude, die noch immer in dieser Form bestehen. Einige der Bauten wurden von Mies-Schüler Erich Holthoff streng nach den Vorgaben des Meisters erbaut. Bei den Gebäuden handelt es sich um das HE-Gebäude (HE steht für Herrenfutterstoffe), die Färberei, das Kesselhaus mit seinem markanten Schornstein, die Warendurchsicht mit dem Uhrenturm, die Schlichterei sowie das Pförtnerhaus. Heute trägt das gesamte Gelände den Namen Mies van der Rohe Business Park.

Ludwig Mies van der Rohe entwarf in Krefeld seine einzigen Industriebauten – so wie in Krefeld sind sie in keiner anderen Stadt zu finden. VerSeidAG-Geschäftsführer Hermann Lange war für den visionären Architekten sowohl ein reicher als gleichzeitig auch extrem einflussreicher Unterstützer. Die Gebäude am Girmesgath 5 blieben schlussendlich trotzdem einzigartig in der Laufbahn Mies van der Rohes und sind zudem sein letztes realisiertes Projekt in Deutschland, bevor er in die USA auswanderte.

Das Kesselhaus sticht heraus

Die Energiezentrale am Girmesgath 5 war und ist ein ausdrucksstarker Teil des Gebäudekomplexes der ehemaligen VerSeidAG und wurde von Mies van der Rohe deutlich beeinflusst. Das zeigen die historischen Skizzen, die er für den Bau des Kesselhauses entworfen hat. Die zentrale Position auf dem Gelände und der hohe Schornstein wirken heute noch maßgeblich auf das Stadtbild von Krefeld.

Das Kraftwerk ist eines der ersten Gebäude, die sich beim Blick auf den Mies van der Rohe Business Park darbieten. Um 1932 bis 1936 wurde das Kesselhaus von der Bauabteilung der VerSeidAG errichtet, bestehend aus Stahlbeton mit einer roten Klinkerfassade, Fensterbändern, einem mehrstufigen Dach und einem gemauerten Schornstein, der 75 Meter hoch aufragt. Seitlich an das Kesselhaus wurde eine Turbinenhalle angebaut, deren Vorderseite komplett verglast ist, womit sie sich als eigener Baukörper vom Kesselhaus abhebt. Insgesamt folgt das Kesselhaus in Optik und Bauweise klar seiner Funktion als Kraftwerk.

 

Der inzwischen ausgeweidete Innenraum des Kesselhauses zeugt immer noch von Kraft und Größe der industriellen Produktionsbedingungen in der einstigen Textilhochburg Krefeld. Dieses Potenzial macht das Kesselhaus zu einem besonderen Ort. Noch liegt das imposante Gebäude im Dornröschenschlaf, doch seine Aktivierung und Umnutzung als neue Veranstaltungshalle bietet große Möglichkeiten für Krefeld.

Neue Perspektiven für Krefeld

Wie diese Möglichkeiten konkret aussehen könnten, zeigt der prämierte Entwurf von Heinrich Böll. Das renommierte Architekturbüro konnte 2017 mit seiner Interpretation der Aufgabe den Wettbewerb für ein Nutzungskonzept des Kesselhauses als Event-Location für sich entscheiden. Wolf-Reinhard Leendertz, Eigentümer des Areals am Girmesgath 5, rief den Architekturwettbewerb aus eigener Initiative ins Leben, um die bestmögliche Gestaltung für die neue Veranstaltungsstätte auszuloten. Mit dem Ergebnis fühlt man sich gut aufgestellt für den zukünftigen Wettbewerb. Der Entwurf macht die alte Industriearchitektur zu einer faszinierenden Ikone mit einer Strahlkraft, die weit über die Grenzen Krefelds hinausreichen soll. So würde für die Bürger und Gäste der Stadt ein attraktives Angebot in denkmalgeschütztem Ambiente geschaffen mit dem Potenzial, auch auf nationaler und internationaler Ebene zu punkten. Das Kesselhaus bietet eine besondere Chance für Krefeld, die genutzt werden sollte.

 

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